Ein Mann im Anzug
© Netflix
Mark Wahlberg in Arthur der Große
Szenenbild aus der Serie Die Entführung des Flugs 601: Einer der Entführer, wie er mit einer Waffe die beiden Piloten bedroht.
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Jennifers Tat bei Netflix: Die wahre Geschichte hinter dem Kriminalfall

Eine junge Frau schmiedet ein Mord­kom­plott gegen die eige­nen Eltern. Den schock­ieren­den Fall aus Kana­da rollt Net­flix jet­zt in ein­er Doku­men­ta­tion auf (Start: 10. April 2024). Wir erzählen die wahre Geschichte hin­ter “Jen­nifers Tat”. 

Die Net­flix-Doku­men­ta­tion in Spielfilm­länge von Regis­seurin Jen­ny Pop­plewell („Amer­i­can Mur­der: Die Bilder­buch­fam­i­lie”) ver­wen­det Auf­nah­men von Polizeiver­hören und Zeu­ge­naus­sagen der Beteiligten, um die Hin­ter­gründe des Ver­brechens zu erhellen.

Jennifers Tat: Die wahre Geschichte hinter der Netflix-Doku 

Das Ehep­aar Huei Hann und Bich Ha Pan, Ein­wan­der­er aus Viet­nam, lebt in der kanadis­chen Stadt Markham/Ontario zusam­men mit den in Kana­da gebore­nen Kindern Jen­nifer und Felix. Das Leben der Fam­i­lie scheint eine Erfol­gs­geschichte zu sein, die ehe­ma­li­gen Flüchtlinge haben es zu Wohl­stand und Anse­hen gebracht.  

Aber diese Geschichte find­et mit einem bru­tal­en Ver­brechen ein jäh­es Ende. Am 8. Novem­ber 2010 wer­den Eltern und Tochter von drei Män­nern über­fall­en und aus­ger­aubt. Die 24-jährige Jen­nifer wird gefes­selt, kann aber noch einen Notruf an die Polizei abset­zen.  

Die Eltern wer­den in den Keller gebracht, wo mehrere Schüsse fall­en. Mut­ter Bich Ha ist sofort tot, Vater Huei Hann über­lebt schw­er ver­let­zt. Alles deutet zunächst auf einen Ein­bruch hin, der aus dem Rud­er gelaufen ist, doch sehr schnell stoßen die Ermittler:innen auf etliche Ungereimtheit­en.  

Zwei Wochen nach dem Über­fall kommt die erschüt­ternde Wahrheit ans Licht. Die wahre Geschichte lautet: Das Ver­brechen ist Jen­nifers Tat – die Tochter steckt hin­ter dem Anschlag auf die Eltern. 

Die Pans: eine typische Aufsteigergeschichte 

Rück­blende: 1979 kom­men Huei Hann und Bich Ha als poli­tis­che Flüchtlinge nach Kana­da. Sie heirat­en in Toron­to. 1986 kommt ihre Tochter Jen­nifer auf die Welt, drei Jahre später wird Brud­er Felix geboren.  

Vater und Mut­ter Pan sind fleißig, arbeit­en sich hoch. Bei­de sind bei einem inter­na­tion­al täti­gen Autozulief­er­er angestellt. Bis 2004 haben sich die Pans genug Geld erar­beit­et, um sich ein großes Haus in ein­er ruhi­gen Wohn­straße in Markham zu leis­ten. In der Garage ste­hen zwei Autos, ein Mer­cedes-Benz und ein Lexus – das Bankkon­to ist gut gefüllt.  

Die Pans haben es geschafft, sind aus dem Nichts die Leit­er des gesellschaftlichen Erfol­gs nach weit oben gek­let­tert. Sie erwarten, dass ihre Kinder ähn­lich streb­sam sind, dass die näch­ste Gen­er­a­tion diese Erfol­gs­geschichte fort­set­zt und mit außergewöhn­lichen Leis­tun­gen krönt.  

Jen­nifer bekommt schon im Alter von vier Jahren Klavierun­ter­richt, begin­nt später mit dem Eiskun­st­lauf. Sie ist in bei­den Diszi­plinen tal­en­tiert. Ihre Leis­tun­gen in der Grund­schule sind über­durch­schnit­tlich. Aber das Mäd­chen muss hart arbeit­en, um den Ansprüchen der Eltern gerecht zu wer­den.  

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Jennifer wird zur notorischen Lügnerin 

Jen­nifer kommt an manchen Tagen erst um 22 Uhr vom Train­ing nach Hause, sitzt dann bis Mit­ter­nacht an ihren Hausar­beit­en. Das Ziel ist die Teil­nahme an den Olymp­is­chen Win­ter­spie­len in Van­cou­ver 2010. Aber ein Bän­der­riss im Knie been­det prak­tisch Jen­nifers Eis­laufkar­riere.  

Auf der als anspruchsvoll gel­tenden Mary Ward Catholic Sec­ondary, ein­er weit­er­führen­den Schule, wird aus der ein­sti­gen Spitzen­schü­lerin eine Jugendliche mit durch­schnit­tlichen Leis­tun­gen. Ihre Noten wer­den schlechter, den ersten Platz beim schulis­chen Eis­laufwet­tbe­werb ver­fehlt sie.  

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Ihren Eltern ver­heim­licht sie ihren Absturz – wohl aus Angst vor ihrem stren­gen Vater. Später geht Jen­nifer dazu über, ihre Zeug­nisse zu fälschen, und täuscht so ihren Eltern weit­er Top-Noten vor. Einen wirk­lichen Vorteil ver­schafft sie sich damit aber nicht.  

Denn die Eltern überwachen ihre Tochter, wo es nur geht. Sie holen Jen­nifer von der Schule ab, ver­bi­eten ihr Par­tys, Fre­unde, Nachtleben. Während andere Jugendliche ihres Alters draußen Erfahrun­gen mit Beziehun­gen, Sex und Alko­hol machen, bleibt Jen­nifer zu Hause.  

Erst mit Mitte 20 besucht sie das erste Mal eine Dis­co. Urlaub? Gibt es auch nicht, die Eltern sind zu sehr mit dem Geld­ver­di­enen beschäftigt. In der 11. Klasse lernt Jen­nifer den ein Jahr älteren Daniel Wong ken­nen, eben­falls Schüler an der Mary Ward.  

Doppelleben zwischen Elternhaus und Freund

Das Ver­hält­nis bleibt lange pla­tonisch, und die Eltern dür­fen natür­lich nichts von dem Jun­gen erfahren. Jen­nifer lebt zu diesem Zeit­punkt bere­its ein Dop­pelleben: Ihren Eltern gegenüber ist sie die brave, fleißige und etwas unschein­bare Tochter, in Wahrheit ist sie aber ein verzweifel­ter Teenag­er auf der Suche nach Frei­heit und Gebor­gen­heit.  

Jen­nifer weiß, was ihre Eltern von ihr erwarten – und sie gibt es ihnen. Sie fälscht die Zulas­sung für die Ryer­son Uni­ver­si­ty in Toron­to, erfind­et sog­ar ein Stipendi­um, das sie ange­blich wegen ihrer guten schulis­chen Leis­tun­gen erhält. Die Wahrheit ist: Ihre Mathe-Noten sind zu schlecht, um an der Uni aufgenom­men zu wer­den.  

Zwei Jahre lang täuscht sie ihre Uni­lauf­bahn nur vor. Sie besorgt sich Lehrbüch­er, ver­lässt jeden Tag das Haus, um ange­blich an die Uni zu fahren. Tat­säch­lich hängt sie in Cafés ab, geht Aushil­f­sjobs nach, trifft Daniel.  

Als der ver­meintliche Abschluss naht und damit der Über­gang zur Uni­ver­si­ty of Toron­to anste­ht, belügt sie ihre Eltern erneut. Sie wolle jet­zt Phar­makolo­gie studieren. Dazu müsse sie aber wenig­stens tageweise zu ein­er Fre­undin ziehen. Ihre Eltern willi­gen ein.  

Das Lügengebäude stürzt zusammen 

Aber Jen­nifer ver­bringt ihre Zeit wed­er mit der Fre­undin noch mit dem Studi­um, son­dern zumeist mit Daniel. Um ihre Sto­ry noch überzeu­gen­der zu machen, erfind­et sie einen tollen ehre­namtlichen Neben­job in einem Kinderkranken­haus. Die Pans wer­den mis­strauisch, als sie wed­er die Dien­stu­ni­form noch den Zugangsausweis find­en.  

Sie spi­onieren ihrer Tochter nach und ent­tar­nen die Lüge. Jen­nifer geste­ht daraufhin, dass ihr akademis­ch­er Lebenslauf ein kom­plet­ter Fake ist. Die bestürzten Eltern reagieren mit Härte. Sie stellen Jen­nifer unter Hausar­rest, entziehen ihr Handy und Lap­top, ver­bi­eten jed­we­den Umgang mit Daniel.  

Schließlich lock­ern die Eltern die stren­gen Regeln etwas, wohl weil Jen­nifer sich für einen Math­ekurs ein­schreibt, um den High­school-Abschluss nachzu­holen. Irgend­wann 2009 geht dann die Beziehung zu Daniel in die Brüche. Sie erfind­et die wirre Geschichte ein­er ange­blichen Verge­wal­ti­gung, um ihn zurück­zugewin­nen.  

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Das Mordkomplott 

Anfang 2010 trifft sie sich mit einem Bekan­nten aus ihrer Schulzeit, einem schrä­gen Vogel, der ihr von Gewalt­fan­tasien gegenüber seinem Vater erzählt. Einige Zeit später kom­men sich Jen­nifer und Daniel wieder näher. Daniel, bere­its in der Schule mit Dro­gen­de­lik­ten aufge­fall­en, hat jet­zt Kon­tak­te ins Krim­inel­len­m­i­lieu.  

Er und Jen­nifer heck­en einen fin­steren Plan aus: den Mord an Jen­nifers Eltern, damit sich das Pärchen mit dem Erbe in Höhe von ein­er hal­ben Mil­lion kanadis­chen Dol­lar aus dem Staub machen kann. Daniel stellt Jen­nifer seinen Kumpel Lenford Craw­ford vor.  

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Der willigt ein, den Job für 10.000 Dol­lar zu übernehmen. Am 8. Novem­ber 2010 betritt Craw­ford mit zwei weit­eren jun­gen Män­nern, David Myl­va­ganam und Eric Car­ty, das Haus der Pans. Sie fes­seln Jen­nifer, zer­ren ihre Eltern in den Keller. Bich Ha stirbt mit drei Kugeln im Kopf, Huei Hann wird im Gesicht und an der Schul­ter getrof­fen.  

Er über­lebt, kommt ins Kranken­haus und fällt zunächst ins Koma. Als er Tage später wieder aufwacht, schildert er den Ermittler:innen den Tather­gang. Er erin­nert sich, wie seine Tochter mit einem der Täter plaud­erte, “wie mit einem Fre­und”.  

Das Ende einer Aufsteigergeschichte

Nicht die einzige Auf­fäl­ligkeit: So lassen die Täter etwa das teure Auto am Tatort zurück, obwohl der Schlüs­sel gut sicht­bar neben der Haustür liegt. Und warum ver­sucht­en die Ein­drin­glinge nur zwei Zeu­gen zu erschießen, ließen aber Jen­nifer unversehrt?  

Am 22. Novem­ber tis­cht Jen­nifer der Polizei eine aben­teuer­liche Geschichte von einem ange­blich schiefge­laufe­nen Selb­st­mord auf Bestel­lung auf. Aber die Ermittler:innen haben längst einen anderen Ver­dacht und sind den vier beteiligten Män­nern auf der Spur.  

Im Früh­jahr 2011 wer­den Daniel Wong, Craw­ford, Myl­vagnam und Car­ty geschnappt. Im März 2014 begin­nt der Prozess, er endet erst Anfang 2015. Wegen Mordes ersten Grades erhält Jen­nifer eine lebenslange Haft­strafe ohne Chance auf Bewährung für 25 Jahre; wegen des ver­sucht­en Mordes an ihrem Vater erhält sie eine weit­ere lebenslange Haft­strafe, die sie gle­ichzeit­ig ver­büßen muss. Auch ihre Kom­plizen wer­den zu lan­gen Haft­strafen verurteilt.

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